Klau am See

Tag 86. Ja, ja, die Zeiten haben sich geändert. Der Klau findet schon morgens um sieben mitten im Wald am See statt! So ein Mist! Aber man kann auch, wenn man Glück hat, hilfreiche, liebe Menschen kennenlernen! Trotzdem werde ich ein paar Tage brauchen, um mein Vertrauen in die Menschheit zurück zu gewinnen.

Am letzten Sonntag (Tag 80) habe ich Mobility-Übungen und am Montag (Tag 81) Rumpf-Stabi-Übungen gemacht.

Am Dienstag (Tag 82) ging es wieder zum Schwimmen im See (18 km). Die Luft war recht kühl mit 17 °C. Das Wasser hatte warme 22 °C. Damals hatte ich noch ein Thermometer. Dieses Jahr bin ich aber irgendwie verfroren, so daß ich nur kurz geschwommen bin. Trotz der Kürze durfte ich wieder den Überflug eines Graureihers erleben. Geregnet hat es immer noch nicht. Der Waldboden war trocken. Die Blätter der Bäume waren aber schön saftig grün. Die Brombeeren blühten. An der Waldwiese hatte jemand Bienenkörbe aufgestellt, so daß ich dort nun das Summen und Brummen der fleißigen Bienchen hörte.

Am Mittwoch (Tag 83) widmete ich mich morgens den Übungen mit den einbeinigen Kniebeugen. Abends raffte ich mich zum Armtraining auf.

Am Donnerstag (Tag 84) war ich wieder am See zum Schwimmen (18 km). Neben meiner Einstiegsstelle in den See wartete ein Graureiher. Er lief hin und her und guckte mutig. An mir störte er sich nicht. Ich freute mich über diesen Zuschauer. Die Luft war 19 °C warm und das Wasser 20 °C. Der See lächelte blau unter klarem Himmel. Ein leichter Wind kräuselte die Oberfläche. An diesem Tag ging das fünfte Jahr zu Ende, seitdem ich täglich Sport mache. Na ja, abgesehen von der Infektpause Ende April diesen Jahres. Und ich kann sagen: „Mir geht es gut. Das tägliche Sporteln hat sich gelohnt!“ Aber auch die Infektpause war vernünftig. Ich würde jedem empfehlen, bei Infekt zu pausieren.

Am Freitag (Tag 85) machte ich Mobility-Übungen.

Heute, am Samstag (Tag 86) war ich am See (20 km). Schon um sieben war ich dort angekommen und badete – mit Badeanzug! – im kühlen Nass. Als ich zurückkam war mein Rucksack weg! Schuhe, Socken und ein Handtuch waren die einzig mir verbliebenen Gegenstände. Eine nette Dame brachte mich in die Nähe ihres Hauses, das 1,5 km entfernt lag. Dort sagte sie, ich möge doch bitte warten. Sie war misstrauisch und ich sollte ja nicht erfahren, wo ihr Häuschen steht und schon gar nicht zu ihr nach Hause kommen! Nach etwa einer halben Stunde erschien die nette Dame mit einem hellblauen Kleidchen und „garantiert frischgewaschenem“ Unterhöschen. Ich zog mir dankbar die trockenen Klamotten an und beschloss, am Seeufer zurück zu gehen. Ich hoffte, daß vielleicht jemand den Rucksack weggeschmissen hatte und ich wenigstens mein Medikament wieder bekommen würde. Als ich zurück zu meiner Einstiegsstelle in den See kam, trat gerade ein junger Mann mit einem kleinen Jungen aus dem oberen Wald. Er hielt meinen Rucksack in der Hand! Der Junge hatte ihn oben im Wald gefunden. Geld war weg. Kinderbadewannenthermometer, Sonnencreme und meine Wasserflaschen waren weg. Meine Klamotten auch. Danke, danke, denn meine GPS-Uhr war noch im Rucksack und das Salbutamol. Morgen werde ich, wenn ich die Kraft habe, mal in dem oberen Waldstück auf die Suche gehen. Vielleicht finde ich ja dort die Klamotten.

Alles Schwere schmolz

1417. In dieser Woche flatterte der Wunsch nach fröhlichen Läufen um mich herum. Mit entschlossenem Schritt ging ich hinaus in den Frühling. Die gestärkten Muskeln trugen ihren wärmenden Teil zu meinem Glück bei. Kein Frösteln störte die Freude. Gelegentlich durchbrachen goldene Sonnenstrahlen das Dunkel der Wolken und der Blick erhaschte blauen Himmel. Alles Schwere schmolz. Ich flog frohgemut durch kalte Wälder. Täglich wurde das Grün satter. Neues Grün kam hinzu. Kalter Wind wehte. Blüten trotzten der Kälte. Bäume bogen sich wagemutig unter dem Wind. Hagel weißelte die Wege.

Am letzten Samstag (Tag 1410) lief ich wie angekündigt die Ententeichrunde. Dunkle Wolken, kalter Wind und vereinzelte Regentropfen begleiteten mich. Plötzlich flog eine kleine Krähe direkt an meinem Kopf vorbei. Hinterher stürzte ein Falke. Ich zog den Kopf ein. Kaum hatte ich begriffen, was geschah, jagten beide Vögel auf ihrer zweiten Runde in halsbrecherischem Flug an meinem Kopf vorbei. Mir stockte der Atem. Beide Vögel flüchteten in eine Baumkrone und belauerten sich. Ich lief nunmehr unbehelligt heim.

Am Sonntag (Tag 1411) drängte es mich zu einem Ausflug. Ich wagte mich auf die Badeseerunde (19 km). Der Körper war träge. Das konnte mich nicht aufhalten. Ich wollte hinaus, hinaus, frische Luft tanken, das Leben genießen! Wofür habe ich die gestärkten Muskeln, wenn ich sie nicht erprobe? Also ging ich hinaus in die Welt. Die ersten Kilometer waren beschwerlich. Allmählich gewöhnte ich mich an die schwarzen Wolken und den kalten Regen. Am Badesee sah ich die Enten schwimmen. In Kürze werde auch ich dort schwimmen!

Am Montag (Tag 1412) war ich nur kurz unterwegs.

Am Dienstag (Tag 1413) turnte ich das fünfundzwanzigste Mal die sechs Übungen, die meine Muskeln stärken. Danach war ich gut durchgewärmt. Erschöpft war ich nicht, aber ich spürte doch, daß ich schon etwas getan hatte. Später lief ich zum Ententeich. Die Atmung ging so gut wie schon lange nicht mehr. Der kalte Regen war erfrischend.

Am Mittwoch (Tag 1414) war der Himmel blau und die Sonne schien. Es blies ein kalter Wind. Das Thermometer zeigte 0,9 °C. Ich machte mich auf zum Badesee (19 km). Bald werde ich meine Schwimmrunden im See wieder aufnehmen. Die Kälte nagte an meinem Körper. Die Sonne lächelte. Über dem freien Feld segelte ein Bussard, als wäre er leicht und frei. Ich flog hinauf zum segelnden Bussard. „I believe, I can fly“, sang es in mir. Je wurde das Glück gestört als sich eine Krähe näherte. Es schien als ob sie den Bussard ärgern wollte. Sie flog dicht an ihn heran. Der Bussard verlor den Aufwind und stürzte hinab. Die Krähe stürzte mit, damit der Bussard nicht mit dem nächsten Aufwind davonsegeln konnte. Bald türmten sich schwarze Wolken auf und es hagelte. Der Weg färbte sich weiß. Kalter Wind kroch in den Körper. Der See war aufgewühlt. Der Haubentaucher schwamm in der Nähe meiner Einstiegsstelle. Die Temperatur im See war 10 °C. Nicht schlecht, aber für mich noch viel zu kalt.

Am Donnerstag (Tag 1415) eröffnete ich den Tag mit Turnen. Ich beschloss den Tag mit einem Lauf zum Ententeich.

Am Freitag (Tag 1416) erfreute ich mich erneut an der Badeseerunde (19 km). Einen Badenden traf ich an. Ansonsten fand ich vermummte Spaziergänger vor, die dem Eiswind trotzten. Eichhörnchen glotzten mich erstarrt an, um eilig zurück ins warme Nest zu klettern. Eine kurze sonnige Episode wärmte und der kalte See wirkte fast einladend.

Heute, am Samstag (Tag 1417), begann ich den Tag mit einer Ententeichrunde. Unmittelbar danach schloss ich das Turnen an. Die drei Badeseerunden der letzten Woche beeinträchtigten das Turnen nicht. So blicke ich zuversichtlich in das kalt lächelnde Antlitz der kommenden Woche.

Hunde

Tag 920. Am Montag (Tag 915) bin ich die Waldseerunde gelaufen (14 km). Nach drei Tagen mit Kurzläufen war ich richtig gut ausgeruht. So konnte ich schön locker laufen und sehr gut atmen. Der Himmel war bedeckt und es wehte ein kalter, belebender Wind. Im Sumpf stand der Graureiher mit eingezogenem Kopf. Er wirkte ganz klein und unscheinbar. Am See wühlte ein schwarzer Riesenhund mit seinen Pfoten unter der Wasseroberfläche. Ich blieb stehen, um zu sehen, nach was der Hund so eifrig gräbt. Er kam richtig außer Atem und war voll engagiert bei seinem Tun. Dann holte er tief Luft und der ganze, dicke Kopf verschwand unter Wasser. Nach einer Weile tauchte er mit einem flachen Stein im Maul wieder auf. Er trug den Stein an das Ufer und ging sofort wieder in das Wasser, um den nächsten Stein auszugraben und nach ihm zu tauchen. Ich bin verwundert weitergelaufen und weiß bis heute nicht, was ich davon halten soll.

Am Dienstag (Tag 916) bin ich wieder nur kurz gelaufen.

Am Mittwoch (Tag 917) bin ich zum Badesee gelaufen (18 km). Es war ein trüber, kalter Niesel-Wetter-Tag. Der beste Tag um den Wandel vom widerwilligen Start über frohes Traben durch einsamen Nieselwald bis zur gut gelaunten Heimkehr zu erleben. Auf dem Badesee schwamm ein junger Schwan und viele Enten. Es wirke alles recht grau und gar nicht lebendig. Dem entsprach, daß mehrere Kiefern auf dem Weg zum See gefällt wurden. Das frische Holz riecht gut. Aber es ist entsetzlich zu sehen, wie kräftige Baumriesen unter dem Lärm der Motorsäge zu Fall gebracht werden. Mich übermannte eine tiefe, existenzielle Erschütterung. Da war ich dann fast froh, als ich an der Wildschweinsuhle von einem kleinen Hündchen bekläfft wurde. Der kleine, weiße Hund grub mit großer Inbrunst. Als ich angelaufen kam, kläffte er mich wütend an. Dabei hob er sein kleines eifriges Gesichtchen aus dem schwarzen Matschloch und schaute in meine Richtung. Ich schaute direkt in das Maul des kleinen Tieres. Ich sah die gefletschten Lefzen, die wütenden Zähne und die rosige Zunge. Der kläffende, kleine, weiße Hund sah unheimlich aus … unheimlich dreckig.

Am Donnerstag (Tag 918) bin ich zum Waldsee gelaufen (14 km). Die Sonne schien. Die Luft war zu kalt, als daß die Sonne sie hätte erwärmen können. Aber das Licht hellte die Stimmung auf. Die Seeoberfläche gräuselte sich mehr als üblich unter kaltem Wind. Die zwei weißen Schwäne hatten sich weit vom Ufer entfernt. Sie wirkten heute hell und erhaben. Ein kleiner eiliger Buntspecht kreuzte meinen Weg. In der Ferne hörte ich den Schrei eines Raubvogels. Wie am Montag konnte ich gut atmen. Ich hatte Zeit, die Menschen anzulächeln, die mir begegneten. Und fast jeder ließ sich einladen, zurück zu lächeln. Eine Frau schob einen Kinderwagen um den See. Mein Blick fiel auf die Kinder im Wagen. Ich erschrak und dachte: „Huch sind die pelzig“. Im nächsten Moment erkannte ich, daß zwei Dackel in dem Kinderwagen halb lagen, halb saßen. Die Dackel waren alt. Sie waren nicht mehr so gut zu Fuß. Also fuhr die Frau die Dackel im Kinderwagen an den See. Dort konnten sie aussteigen und andere Hunde treffen. Sie konnten ein bißchen spielen und dann wurden sie wieder nach Hause gefahren.

Am Freitag (Tag 919) war ich auf der Parkseerunde (7 km). Ein fieser kalter Wind und ein leichter kalter Regen wollten mich vom Laufen abschrecken. Aber ich ließ das nicht zu. So wurde es ein erfrischender Lauf in kühler Luft. Ein Schwan hatte sich in den Ententeich verirrt. Mindestens fünf Entlein schwammen hinter dem Schwan her als freuten sie sich über die Abwechslung.

Heute, am Samstag (Tag 920) bin ich wieder die Parkseerunde gelaufen (7 km). Der fiese kalte Wind war immer noch da. Aber die Sonne hatte sich derweil durch die Wolken gefressen. Ich war etwas angemüdet, aber glücklich. Es ergab sich zum erstenmal ein nettes kleines Gespräch mit einer Grüßfreundschaft, die seit meinen ersten Laufversuchen im Jahre 2012 bestand. Immer wenn ich über Mittag auf der Parkseerunde war, sahen wir uns und grüßten uns.

Morgen werde ich noch einmal die Parkseerunde laufen und dann habe ich diese Woche wieder 70 km erreicht. Nach wie vor ist das für mich die oberste Grenze. Wie ich die nächste Woche gestalte, weiß ich noch nicht.

Ich wünsche allen eine gute Woche!