Tag 878. Laufend fühle ich meinen Körper, ich erlebe die Natur, ich laufe durch Wälder, ich lebe, ich freue mich, ich jubele innerlich. Ich laufe an dicken Bäumen vorbei, die umgefallen sind und vermodern, ich sehe alte Hunde, die kaum hinter ihren alten Herrchen oder Frauchen herrennen könnnen. Plötzlich verstehe ich, daß ohne Vergänglichkeit kein Leben sein kann. Ich lebe und während ich durch den Herbst laufe, kann ich den Gedanken an morgen loslassen. Heute bin ich frei und lebendig und das werde ich mir jetzt nicht mit Grübeln über das Morgen verderben.
Am Sonntag (Tag 872) bin ich nur die Meile gelaufen. Ich hatte noch Muskelkater vom Auf und Ab der 21 km des Vortages. Die sonntägliche Ruhe und Entspannung hat gut getan. Die Freude am Laufen aufrecht erhalten kann ich nur, wenn ich die Kunst der Dosierung beherrsche. Körper und/oder Seele verlangen das eine Mal nach Ruhe, das andere Mal nach ausgiebiger Belastung. Am Sonntag hat mir der kleine Lauf Erfrischung und Wachheit gegeben.
Am Montag (Tag 873) bin ich um den Waldsee gelaufen und habe einen Schlenker zum Rodelberg gemacht (16 km). Den Rodelberg bin ich hoch gelaufen. Dreimal mußt ich anhalten, denn so lang, so steil, das bin ich nicht gewöhnt. Der Tag war herrlich, die Luft frisch und kühl, der Himmel blau und die Sonne hat den Herbst grellbunt gemacht. Die Blätter unter meinen Füßen haben sich in mein Herz geraschelt. Mal waren sie sattbraun, mal leuchtend gelb, mal flammend rot. Ein Eichhörnchen hat sich gezeigt, aber bevor ich es richtig sehen konnte hinter einem Baum versteckt. Die Schwäne schwammen heute elegant und besonders weiß auf dem See. Gefühlt überall wurde ich von Eichelhähern verfolgt und bekreischt. Es war ein herrlicher Raschellauf im bunten Laub.
Am Dienstag (Tag 874) bin ich ganz entspannt die Parkseerunde bei strahlendem Sonnenschein und in bunter Herbstpracht gelaufen (7 km). Wieder hat sich ein Eichhörnchen vor mir versteckt. Zwei Krähen haben auf der Straße in aller Seelen Ruhe irgendetwas verspeist. Über der ganzen Szene lag dörfliche Ruhe.
Am Mittwoch (Tag 875) bin ich wieder durch herrlichen, sonnigen Herbstlaub um den Waldsee gelaufen (14 km). Die kalte Luft (5 °C) war erfrischend. Der See hat im Sonnenschein geglitzert. Von den Bäumen regnete es Blätter. Unter den Füßen raschelte es. Die Sonne erleuchtete die ganze Buntheit. Hunde und Menschen haben freundlich gelächelt. Die Stimmung war friedvoll. Über mir zog eine geschwätzige Reisegesellschaft bestehend aus Graugänsen in Keilformation nach Irgendwohin. Am Donnerstag (Tag 876) habe ich mich auf die Meile beschränkt.
Am Freitag (Tag 877) bin ich zum Badesee und um den Badesse gelaufen (20 km). Die ersten Kilometer ware noch grau und nebelig. Aber mit jedem Schritt wurde es heller. Die Blätter waren nebelnaß. Die Sonne sah hinter dem Hochnebel aus wie der fahle Vollmond. Als sie sich endlich durch den Nebel hindurchgefressen hatte, erleuchtete sie den bunten Wald. Der Wald schien sich in ein einziges farbenfrohes Feuerwerk zu verwandeln. Auf dem Badesee schwammen zwei junge, noch graue Schwäne. Unter den Enten leuchtete die weiße Ente, die ich schon im Sommer dort gesehen hatte. Ein Kleiber und ein Buntspecht hämmerten an der Rinde eines Baumes. Auf einer freien Fläche im Wald weiden Schafe. Sie standen heute am Zaun direkt neben dem Waldweg. Sie haben ein langes, weißes Fell, Hörner und schwarze, zierliche, niedliche Gesichter. Eine Frau erklärte mir, es handele sich bei den Schafen um Heidschnucken.
Heute, am Samstag (Tag 878) bin ich die Parkseerunde gelaufen (7 km). Ich war viel zu warm angezogen. Denn die Luft war zwar kühl, aber mild. Dazu hat die Sonne wärmend gelächelt. Trotzdem war es ein schöner bunter Lauf.
Übrigens: http://www.9news.com.au/national/2015/10/20/20/01/man-with-chronic-lung-disease-training-to-take-on-new-york-marathon hier kann man den copd athlete Russell Winwood, 49 laufen sehen. Er behauptet, er hat 30 % und schafft den Marathon in unter 6 Std.? Seine Hompage http://copdathlete.com/ ändert sich sehr oft. Trotzdem nenne ich sie immer mal. Wenn es stimmt, ist es sehr beeindruckend.
Ich wünsche allen noch ein paar schöne Herbsttage!