Täglich Laufen – 3 Jahre

Täglich laufen. Am 6. Juni 2013 begann ich täglich zu laufen – bis heute. Am morgigen Sonntag, dem 5. Juni 2013 (Tag 1096) werde ich drei Jahre lang jeden Tag mindestens eine Meile gelaufen sein. Ich habe über 7.500 km zurückgelegt.

Ich preise mich glücklich. Glücklich, weil ich das tägliche Laufen für mich entdeckt habe und weil es für mich funktioniert.

Beim Laufen kann ich das leise Vergnügen wahrnehmen, das im Inneren der menschlichen Seele lebt. Es wird genährt durch kleine Erlebnisse, gute Gefühle und beständige Verlässlichkeit. Es lebt vom Wandel der Jahreszeiten und vom ständigen Wetterwechsel. Sturm und Sonnenschein, Kälte und Wärme, Nebel und klare Sicht im Wechsel erzeugen täglich die Spannung, die seine Lebensenergie hervorbringt. Der Körper liebt dieses leise Vergnügen, verlangt es und dankt es.

Tagein, tagaus füttere ich dieses zarte Wesen Vergnügen, das in meinem Inneren haust, mit Erlebnissen und Eindrücken aus der Welt, die ich mir erlaufe. Auf diese Weise sorge ich dafür, daß es froh und munter ist.

Mein größtes Erlebnis in den drei Jahren war ein Uhu, an dem ich auf Augenhöhe im Abstand einer Armeslänge vorbeigelaufen bin. Er saß im Morgengrauen friedlich auf einem Treppengeländer und wir schauten uns an. Noch heute schaue ich immer auf das Treppengeländer und hoffe, daß wir uns noch einmal begegnen werden.

Die lebendige Welt da draußen hat immer etwas zu bieten. In diesem Jahr habe ich einen wunderbaren Duft entdeckt, als ich durch weiße Gewölbe aus Flieder lief. Da es wenig geregnet hatte, haben sich die Blüten sehr gut und lange gehalten und dem Frühling einen unglaublichen Duft verliehen.

Manchmal bekomme ich von Hunden, die an mir vorbei laufen, eine verstohlenen, nassen Kuss in die Hand oder auf das Bein gedrückt. Manche Hunde legen ihren Ball vor mir ab und begehren, daß ich den Ball wenigstens einmal für sie werfe. Das sind herrliche kleine Begebenheiten, die das Gemüt erheitern und den Tag besonnen.

Auch die innere Freiheit, die mir das Laufen verschafft, ist ein immenser Gewinn, der fast jeden Lauf leicht und beglückend macht. Beim Laufen ist meine einzige soziale Verpflichtung, freundlich zu lächeln, wenn mir jemand entgegen kommt. Dieser Verpflichtung komme ich immer wieder gerne nach.

Nicht zu vergessen sind die vielen kleinen Veränderungen, die der Körper in den letzten drei Jahren als Antwort auf das täglich Laufen hervorgebracht hat. Sie fühlen sich gut an. Das tägliche Häppchen frische Luft hat die bangen Fragen, die ich mir früher stellte, tief in das Reich des Vergessens gestoßen. In meinen Gedanken ist die Krankheit mehr und mehr in den Hintergrund getreten.

Inzwischen sind für mich Fragen wie: „Wann kann ich endlich den langen Hügel am See kraftvoll hoch laufen?“ wichtiger geworden als solche nach der Krankheit. Um jedem Missverständnis vorzubeugen: Mir geht es nicht um Leistungssport. Auch geht es mir schon lange nicht mehr nur um die medizinischen oder therapeutischen Wirkungen des Laufens. Ich will das Glück erleben, das Bewegung hervorbringt und das man gemeinhin nur den Kindern zusprechen möchte.

Das Leben und Laufen geht weiter. Und es ist schön!